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Studie: Erhöhte Sterblichkeit durch Multivitamine?

Studie: Erhöhte Sterblichkeit durch Multivitamine?

Multivitamin-Präparate sind aus den Regalen der Drogerien und Apotheken nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen greifen zu ihnen in der Hoffnung, ihre Gesundheit zu fördern und vielleicht sogar ihr Leben zu verlängern. Doch eine neue Studie weckt Zweifel an der Wirksamkeit der kleinen Helfer. Was steckt wirklich dahinter? Dieser Artikel basiert auf einer wie immer sehr interessanten Analyse von Peter Attia. 

Die Studie: Multivitamine und Sterblichkeit

Eine kürzlich veröffentlichte Studie untersuchte die Daten von mehr als 390.000 Erwachsenen in den USA über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Die Forscher wollten herausfinden, ob die regelmäßige Einnahme von Multivitaminen mit einer längeren Lebenserwartung zusammenhängt. Das Ergebnis: Personen, die täglich Multivitamine einnahmen, hatten ein um 4 % höheres Mortalitätsrisiko als Personen, die keine Multivitamine zu sich nahmen. Das klingt doch beunruhigend? Nicht so schnell. 

Die Studie: Verzerrungen und Einschränkungen

Bei der Studie handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie. Solche Studien untersuchen Veränderungen von Teilnehmern über die Zeit und lassen sich in dynamische, offene und geschlossene Studien sowie in prospektive und retrospektive Ansätze unterteilen. Während prospektive Kohortenstudien als Goldstandard gelten, weil sie Kausalzusammenhänge besser aufdecken, sind sie zeit- und ressourcenintensiv.

Prospektive Kohorten-/Längsschnittstudien sind aber sehr komplex und können oft missverständlich sein, wenn die Ergebnisse nicht im Detail analysiert werden. Bei der Beurteilung der Aussagekraft sind besonders Verzerrungen zu berücksichtigen, da sie das wahre Verhältnis zwischen Variablen verzerren können. Zu den bekannten Verzerrungen gehören der „Sick User Bias“ und der "Healthy User Bias". Beide können die Validität von Studien verzerren, indem sie irreführende Assoziationen zwischen einer Behandlung oder einem Verhalten und Gesundheitsergebnissen herstellen.

In dieser Studie wurde die Einnahme von Multivitaminen (MV) zwar mit einem leicht erhöhten Mortalitätsrisiko in Verbindung gebracht, dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass Personen mit einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand mit der Einnahme von Multivitaminen beginnen, was zu dem falschen Eindruck führt, dass Vitamine das Risiko erhöhen („Sick User Bias“).

Gleichzeitig können Studienteilnehmer, die sich für die Einnahme von MV entscheiden, bereits gesundheitsbewusster leben und andere gesunde Verhaltensweisen an den Tag legen, die sich unabhängig von den MV auf ihren allgemeinen Gesundheitszustand auswirken können. Dies stellt eine Herausforderung dar, wenn es darum geht, die Auswirkungen von MV von den Auswirkungen eines allgemein gesünderen Lebensstils zu trennen. Dieses Phänomen, dass gesündere Menschen eher zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen neigen, wird als „Healthy User Bias“ bezeichnet.

Beide Verzerrungen können die Studienergebnisse stark relativieren, und es ist kaum möglich, in einer einzigen Studie alle Einflussfaktoren zu kontrollieren. Auch die Auswahl der Studienteilnehmer spielt eine Rolle: In dieser Studie wurden Personen mit schweren Vorerkrankungen ausgeschlossen. Dadurch wurden nur sehr gesunde ältere Menschen untersucht, was die Ergebnisse zusätzlich verzerrt haben könnte.

Was bedeutet das für dich?

Nur weil diese Studie keinen positiven Effekt von Multivitaminen auf die Lebenserwartung gefunden hat, heißt das nicht, dass Multivitamine nutzlos sind. Sie können nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsvorsorge spielen, insbesondere wenn ein Mangel vorliegt. Für Menschen, die sich nicht immer ausgewogen ernähren können, können Multivitamine eine sinnvolle Ergänzung sein.

"Sind Multivitamin-Präparate der Schlüssel zu Longevity schlechthin? Mit Sicherheit nicht. Aber ob sie in dieser Hinsicht etwas bewirken oder nicht, ist eine offene Frage - und zu dieser Diskussion hat diese Studie wenig beigetragen." Dr. Peter Attia, M.D.

Auch wenn diese Studie Zweifel aufwirft, bleibt die Frage nach dem Nutzen von Multivitamin-Präparaten für die Longevity offen. Es bedarf also weiterer Forschung, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen und für welche Personengruppen Multivitamine tatsächlich hilfreich sein können.

Auf die Details jeder Studie kommt es an

Auch wenn die vorliegende Studie nicht nachweisen konnte, dass Multivitamine das Leben verlängern, heißt das nicht, dass sie keinen Nutzen haben. Sie zeigt vielmehr, wie wichtig es ist, Studienergebnisse kritisch zu hinterfragen und auf Details zu achten. Nur so kann man sich ein vollständiges Bild machen und entscheiden, ob Multivitamine für einen selbst sinnvoll sind.

Bewertungsmatrix der Studie

Kriterium Die Studie Bewertung
1. Hypothese Tägliche Einnahme von Multivitaminen ist mit einem geringeren Mortalitätsrisiko verbunden Die Hypothese wurde klar definiert und getestet
2. Studientyp Prospektive Kohortenstudie über drei große US-Kohorten hinweg Starker Studiendesign zur Beobachtung langfristiger Gesundheitsergebnisse
3. Stichprobengröße 390.124 Teilnehmer Große Stichprobengröße erhöht die Zuverlässigkeit der Ergebnisse
4. Identifizierte Verzerrungen "Healthy user effect, sick user effect." Potenzielle Verzerrungen wurden anerkannt und adressiert
5. P-Werte HR für Sterblichkeit: 1,04 (95 % CI, 1,02-1,07)für den ersten Nachbeobachtungszeitraum Signifikante Assoziation, aber mit einem leicht erhöhten Risiko
6. Effektgrößen Hazard Ratio (HR) für Gesamtsterblichkeit: 1,04 Die Effektgröße zeigt ein minimal erhöhtes Risiko an
7. Phasen klinischer Studien Nicht anwendbar (Beobachtungsstudie) Studie konzentrierte sich auf Beobachtungsdaten, nicht auf Interventionen
8. Einschränkungen Potenzielle Restverzerrung, Fehlklassifizierung der Exposition, eingeschränkte Generalisierbarkeit Anerkannte Einschränkungen, die die Generalisierbarkeit beeinflussen können
9. Glaubwürdigkeit des Mediums Veröffentlicht in JAMA Network Open, einem renommierten peer-reviewten Medium Hohe Glaubwürdigkeit, unterstützt die Zuverlässigkeit der Ergebnisse


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