Ozempic: Wundermittel oder riskante Abnehmspritze?
Was auf dem roten Teppich in Hollywood trendet, kommt früher oder später bei uns Normalsterblichen an. So ist es auch mit dem “Wundermittel” Ozempic: Ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, gilt die sogenannte Abnehmspritze inzwischen als DER Abnehm-Tipp nicht nur unter Promis. Aber ist es wirklich so einfach, mit Ozempic nebenbei ein paar Kilos zu verlieren?
Ozempic ist der Markenname für ein Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid des Herstellers Novo Nordisk. Semaglutid wurde in erster Linie für die Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, um die Blutzuckerkontrolle zu verbessern. Das Ergebnis ist eine sehr deutliche Gewichtsreduktion bei den Patienten, wobei klinische Studien einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von ca. 15-20 % festgestellt haben. Damit erscheint das Medikament als Wunderwaffe für alle, die aus reiner Eitelkeit abnehmen wollen. In den USA ist deshalb ein so großer Hype um das Produkt entstanden, dass es Diabetikern kaum noch möglich war, ihr dringend benötigtes Medikament zu erhalten.
Der Hersteller hat den Bedarf schnell erkannt und den Wirkstoff Semaglutid unter dem Namen Wegovy in einem zweiten Produkt auf den Markt gebracht: Wegovy ist anders als Ozempic zur Gewichtsreduktion zugelassen, wenn eine Adipositas Grad I vorliegt, und bei Übergewicht, wenn der Patient unter einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung leidet. Immer mehr Menschen nutzen das Präparat aber auch ohne Übergewicht, denn es verspricht einen schlanken Körper ohne ein mühevolles Ernährungs- und Sportprogramm. Aber heißt mühelos auch risikolos? Das schauen wir uns in diesem Beitrag einmal genauer an.
Dazu haben wir uns auch einige Experten-Podcasts angehört, die sich ausführlich, wissenschaftlich und spannend mit dem Thema Ozempic beschäftigen und die wir am Ende des Artikels verlinkt haben.
Welche Vorteile hat Semaglutid?
Eins ist klar: Semaglutid, ob nun als Ozempic oder Wegovy, kann eine deutliche Gewichtsreduktion bewirken. Die Ergebnisse entsprechen ungefähr denen einer bariatrischen Operation, also zum Beispiel einer Magenverkleinerung. 15-21% Gewichtsverlust erreichen Patienten laut klinischen Studien – mit beachtlichen Folgen. Eine Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Menschen senkt immer auch das Risiko für chronische Krankheiten wie Herzkrankheiten, Diabetes und Bluthochdruck, die zu den wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren gehören. Die Verringerung des BMIs verringert auch das Risiko von über 200 gewichtsassoziierten Erkrankungen wie etwa Herzinfarkten und Schlaganfällen. Diese Ergebnisse sind nicht nur statistisch signifikant, sondern für Patienten auch im Alltag ganz deutlich zu spüren. Studienteilnehmer berichten über eine bessere Mobilität, weniger Gelenkschmerzen und eine insgesamt höhere Lebensqualität. Gleichzeitig konnte die Gabe weiterer Medikamente wie Betablocker oder Statine reduziert werden. Hier kann man von einer Win-Win-Situation sprechen: Die Menschen fühlen sich deutlich besser, Folgeerkrankungen einer Adipositas werden vermindert, die Gesundheitskosten sinken. Für stark übergewichtige Personen bringt die Anwendung von Semaglutid unter ärztlicher Betreuung also einen klaren Nutzen und kann helfen, die Lebens- und Gesundheitsqualität deutlich zu verbessern.
Nachteile und Risiken von Ozempic, Wegovy und Co.
Was du bis hierhin gelesen hast, klingt doch eigentlich ganz positiv, oder? Das stimmt, denn Semaglutid-Präparate haben ja handfeste Vorteile – wenn du ein fettleibiger Mensch bist und an Typ-2-Diabetes erkrankt bist . Aber wenn du darüber nachdenkst, so ein Medikament als Ersatz für eine Ernährungsumstellung oder ein Sportprogramm zu nutzen, solltest du lieber noch ein paar Minuten weiterlesen.
Fangen wir mit den üblichen Nebenwirkungen an: Häufige Beschwerden sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Das ist sehr unangenehm, aber normalerweise nicht lebensbedrohlich. Zu den schwerwiegenden, wenn auch eher seltenen Nebenwirkungen gehören allerdings auch das Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung, Schilddrüsenkrebs oder ein Darmverschluss.
Die Einnahme von Semaglutid kann zu einer Gewichtsabnahme führen, die sowohl Fett als auch Muskelmasse betreffen kann. Studien deuten darauf hin, dass der Gewichtsverlust zwar in erster Linie auf Fett zurückzuführen ist, aber auch ein gewisser Verlust an Muskelmasse auftreten kann.
Zu den möglichen Nebenwirkungen der Einnahme von auf die emotionale Gesundheit gehören Stimmungsschwankungen wie Angstzustände und Depressionen. Einige Patienten haben über emotionale Instabilität berichtet, auch wenn diese Nebenwirkungen weniger häufig sind.
Und was man auf keinen Fall vergessen sollte: Viele Menschen nehmen nach Absetzen des Medikaments das verlorene Gewicht wieder zu. Es ist nach aktuellen Erkenntnissen sehr wahrscheinlich, dass man das Produkt auf unbestimmte Zeit anwenden muss, um die gewünschten Ergebnisse auch zu halten. Das wird für Selbstzahler schnell teuer. Und der Wechsel zwischen Abnahme und Zunahme kann psychisch sehr belastend sein – selbst Personen, die nie unter Essstörungen gelitten haben, können durch den “Ozempic-Kreislauf” eine entwickeln.
Update: Peter Attias ganz persönliche Meinung zu Ozempic
In der Podcast-Episode vom 19. August, in der er mit dem Adipositas-Experten David B. Allison über Ozempic sprach, äußerte Peter Attia seine persönliche Meinung zu dem Medikament. Obwohl er die Wirksamkeit von Ozempic (Semaglutid) zur Gewichtsreduktion und Appetitkontrolle anerkennt, würde er es selbst nicht einnehmen. Seine Hauptsorge gilt den kardiovaskulären Wirkungen. Attia hat in seiner Praxis beobachtet, dass GLP-1-Agonisten wie Ozempic die Ruheherzfrequenz um etwa 10 Schläge pro Minute erhöhen und die Herzfrequenzvariabilität (HRV) leicht verringern. Diese Veränderungen könnten auf ein Ungleichgewicht im autonomen Nervensystem hinweisen und langfristige Risiken für die Herzgesundheit bedeuten.
Für Personen, die eine erhebliche Gewichtsabnahme anstreben, könnte das Risiko akzeptabel sein, aber für Personen, die nur ein paar Pfund verlieren wollen, könnte der Nutzen das Risiko nicht aufwiegen. Da noch keine Langzeitdaten zu diesen Auswirkungen vorliegen, rät Attia von der alleinigen Verwendung von Ozempic zur Gewichtsreduktion ab.
Gefahr fürs Gehirn ?
Es gibt eine große Debatte darüber, was genau in unserem Gehirn passiert, wenn wir uns dieses Medikament spritzen. Die grundsätzliche Antwort lautet: Wir wissen es einfach (noch) nicht. Wir wissen, dass der Wirkstoff das Gehirn massiv verändert, weil er die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Wir wissen, dass, wenn man Ratten den Wirkstoff spritzt, er überall im Gehirn ankommt und jeden Teil beeinflusst. Das klingt natürlich erst einmal beunruhigend, vielleicht sogar sehr beunruhigend. Vor allem, weil Teile des Gehirns betroffen sind, die an der Gedächtnisverarbeitung und der Darmsteuerung beteiligt sind. Die Theorie darüber, was im Gehirn passiert, ist allerdings noch sehr spekulativ und umstritten. Nur die Zeit wird zeigen, welche unbekannten Auswirkungen noch möglich sind.
Erst Langzeitstudien könnten aufdecken, ob und in welchem Umfang Semaglutid das Gehirn und seine Strukturen beeinflusst.
Fazit: Kommt drauf an
Trotz möglicher Nebenwirkungen, die bei verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht üblich sind, und möglicher Bedenken: Das Medikament ist für viele adipöse Patienten ein echter Rettungsanker und kann ihre Lebensqualität deutlich verbessern.
Wer jedoch solche Medikamente aus rein ästhetischen Gründen einsetzen möchte, sollte sich der möglichen langfristigen Risiken bewusst sein. Wenn du mit dem Gedanken spielst, ein solches Medikament nur zum Abnehmen einzunehmen, ohne dass eine entsprechende Erkrankung vorliegt, sprich bitte vorher mit mehreren Ärzten deines Vertrauens und lass dich gut beraten.
Mehr zum Thema findest du hier:
- Dr. Robert Lustig: How Sugar & Processed Foods Impact Your Health - Huberman Lab
- Ozempic: Weight Loss Miracle Drug or Something Darker? Johann Hari on The Benefits & Risks – Rich Roll
- Dr. Casey Means: Transform Your Health by Improving Metabolism, Hormone & Blood Sugar Regulation - Huberman Lab
- #314 ‒ Rethinking nutrition science: the evolving landscape of obesity treatment, GLP-1 agonists, protein, and the need for higher research standards | David Allison, Ph.D. - Peter Attia