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Die Biologie des Alterns: Was wir wissen und was nicht

Die Biologie des Alterns: Was wir wissen und was nicht

Altern betrifft uns alle. Aber was passiert dabei eigentlich genau in unserem Körper? Und noch spannender: Können wir diesen Prozess verlangsamen oder sogar umkehren? Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse geliefert. Gleichzeitig zeigen führende Experten wie komplex und umstritten viele der heutigen Ansätze noch immer sind.

Was heute als gesichert gilt: Altern ist kein festgelegter Ablauf, sondern ein biologischer Prozess, den man prinzipiell beeinflussen kann. Trotzdem ist nicht jede neue Theorie automatisch belastbar oder klinisch relevant. Besonders bei viel diskutierten Themen wie Altersuhren, epigenetischer Reprogrammierung oder Senolytika braucht es eine gesunde Portion Skepsis. In diesem Artikel bekommst du einen fundierten Überblick darüber, was wissenschaftlich belegt ist, welche Konzepte kritisch betrachtet werden sollten und was du daraus für deinen Alltag mitnehmen kannst.

Zwischen Hoffnung und Hype

Wir haben uns für dich eine sehr spannende Longevity-Roundtable-Diskussion angehört, an der vier der renommiertesten Experten auf dem Gebiet teilgenommen haben: Steven Austad, Matt Kaeberlein, Richard Miller und der Gastgeber Peter Attia. Diese Experten beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der Frage, warum wir altern und was sich möglicherweise dagegen tun lässt.

Und jetzt zum Kern dieser Diskussionsrunde: Es gibt immer noch keine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Definition von Altern. Trotzdem zeichnete sich ein gemeinsames Verständnis ab. Altern lässt sich am besten als ein biologischer Prozess beschreiben, genauer gesagt als eine Vielzahl von Prozessen, die schrittweise die Funktion von Geweben, Organen und Körpersystemen beeinträchtigen. 

Mit der Zeit erhöht sich dadurch die Anfälligkeit für Krankheiten und letztlich auch für den Tod. Während das chronologische Alter in Jahren gemessen wird, spiegelt das biologische Alter den gesundheitlichen Verfall wider. Diese Ansicht stützt sich auf Studien, die zeigen, dass die Lebensspanne durch einzelne Genmutationen oder Medikamente in Modellorganismen wie Mäusen verlängert werden kann, was darauf hindeutet, dass das Altern nicht unveränderlich ist .

Was Altern bedeutet, und warum es als veränderbar gilt 

Obwohl es noch keine allgemeingültige wissenschaftliche Definition des Alterns gibt, herrscht unter Experten Einigkeit darüber, dass es sich um einen fortschreitenden biologischen Abbauprozess handelt. Dieser betrifft nach und nach Gewebe, Organe und Körpersysteme und erhöht dadurch die Anfälligkeit für Krankheiten und Tod.

Während dein chronologisches Alter lediglich die Anzahl deiner Lebensjahre angibt, beschreibt dein biologisches Alter deinen tatsächlichen Gesundheitszustand.

Verschiedene Studien an Modellorganismen wie Mäusen zeigen, dass gezielte Eingriffe wie Genmutationen oder bestimmte Medikamente die Lebensdauer verlängern können. Das deutet darauf hin, dass Alterungsprozesse veränderbar sind. Allerdings stammt ein Großteil dieser Erkenntnisse aus präklinischen Studien. Und hier ist Vorsicht geboten: Was in Mäusen funktioniert, lässt sich nicht automatisch auf den Menschen übertragen. Die biologischen Mechanismen sind zwar vielversprechend, aber sie liefern bisher keine eindeutigen Kausalitäten. In der klinischen Anwendung fehlt oft noch der Nachweis, dass die beobachteten Effekte auch beim Menschen eintreten und einen tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen bringen.

→ Mehr dazu: Studienbasiert! Für Mäuse oder für Menschen?

„Hallmarks of Aging“: Orientierung oder Forschungsfalle?

Das biologische Alter ist ein komplexes und abstraktes Konzept, das angibt, wie gesund oder gealtert jemand wirklich ist, und zwar in körperlicher, geistiger und biologischer Hinsicht. Es kann folglich nicht durch nur eine Kennzahl genau gemessen werden.

Im Kontext der Hallmarks of Aging-Theorie lässt sich das biologische Alter als das zusammengesetzte Ergebnis verschiedener molekularer und zellulärer Prozesse verstehen.  Die erstmals 2013 veröffentlichte Liste wurde 2023 auf zwölf Kennzeichen erweitert. Diese 12 Kennzeichen des Alterns bieten einen nützlichen Rahmen für die Alternsforschung, der jedoch hauptsächlich durch Studien an Tieren und im Labor gezüchteten Zellen gestützt wird. Sie sind zudem nicht alle gleichermaßen validiert, und nur einige wenige wie genomische Instabilität, Telomer-Abnutzung und Nährstoffsensorik zeigen eine Relevanz in Studien am Menschen. Die meisten anderen stützen sich noch auf präklinische Studien, was bedeutet, dass ihre Bedeutung für das tatsächliche Altern des Menschen noch nicht vollständig bestätigt ist.

Die 12 Kennzeichen des Alterns bieten Orientierung

  1. Genomische Instabilität: Mit der Zeit häufen sich DNA-Schäden an, wodurch die Reparatur und die Zellfunktion beeinträchtigt werden. Messbar über DNA-Schadensmarker.
  2. Telomer-Abnutzung: Telomere verkürzen sich mit zunehmendem Alter, wodurch die Teilungs- und Erneuerungsfähigkeit der Zellen eingeschränkt wird. Messung über qPCR oder FISH. 
  3. Deregulierte Nährstofferkennung: Wichtige Signalwege wie Insulin und mTOR geraten aus dem Gleichgewicht, was den Alterungsprozess beschleunigt. Metabolische Marker helfen bei der Verfolgung.
  4. Mitochondriale Dysfunktion: Mitochondrien verlieren an Effizienz und setzen reaktive Sauerstoffspezies frei, was den Stress erhöht.
  5. Chronische Entzündung (Inflamm-Aging): Systemische Entzündungen mit niedrigem Schweregrad nehmen mit zunehmendem Alter zu, was häufig über CRP und Zytokine beurteilt wird.
  6. Epigenetische Veränderungen: Veränderungen der Genregulation ohne DNA-Mutation, die die zelluläre Identität beeinflussen. Wird über Methylierungsprofile abgebildet.
  7. Verlust der Proteostase: Zellen verlieren die Fähigkeit, fehlgefaltete Proteine zu verwalten, was zu Aggregation und Dysfunktion führt.
  8. Zelluläre Seneszenz: Beschädigte Zellen hören auf, sich zu teilen, und scheiden schädliche Faktoren aus. Wird über p16INK4a oder SA-β-Gal identifiziert.
  9. Erschöpfung der Stammzellen: Weniger aktive Stammzellen verringern die Geweberegeneration. Gemessen anhand der Stammzellzahl oder -funktion.
  10. Veränderte interzelluläre Kommunikation: Die Zellsignale werden fehlerhaft, was das Altern und systemische Entzündungen fördert.
  11. Deaktivierte Makroautophagie: Zellen können Abfall nicht recyceln, was zur Ansammlung von Zelltrümmern führt. Verfolgt anhand von Autophagie-Markern.
  12. Mikrobiomstörung: Die Darmflora gerät aus dem Gleichgewicht, was den Stoffwechsel und die Immunsignale beeinträchtigt. Profiliert anhand von Mikrobiom-Sequenzierung.

Viele Forscher nutzen dieses Rahmenwerk, um die Komplexität des Alterns besser zu strukturieren. Allerdings sehen nicht alle Experten diese Liste unkritisch. Richard Miller und Steve Austad warnen davor, sie als festen Maßstab zu betrachten. Ihrer Meinung nach könnte sie die wissenschaftliche Neugier einschränken, vor allem wenn Fördergelder nur an Projekte vergeben werden, die sich auf diese Kategorien stützen. Statt neue Fragen zu stellen, könnten Forscher sich zu stark an einer vorgegebenen Struktur orientieren, ohne deren tatsächliche Aussagekraft zu hinterfragen.

Matt Kaeberlein erkennt zwar den kommunikativen Wert der „Hallmarks“, betont aber gleichzeitig, dass es sich nicht um ein abgeschlossenes System handelt. Die Liste bietet eine nützliche Orientierung, aber keine wissenschaftliche Endgültigkeit. Mechanismen werden benannt, doch echte Kausalitäten sind selten belegt.

Sind epigenetische Uhren wissenschaftlich fundiert?

Ein populäres, aber umstrittenes Instrument zur Bestimmung des biologischen Alters sind sogenannte epigenetische Uhren. Sie basieren auf DNA-Methylierungsmustern und sollen anzeigen, wie schnell ein Körper biologisch altert, unabhängig vom chronologischen Alter.

Die Idee klingt vielversprechend, doch in der Praxis zeigen sich deutliche Schwächen. Matt Kaeberlein hat selbst mehrere dieser Uhren getestet und dabei starke Schwankungen festgestellt. Bei derselben Blutprobe lag das gemessene biologische Alter zwischen 42 und 63 Jahren.

Auch Peter Attia äußert deutliche Kritik. Für ihn sind diese Messinstrumente zu stark vereinfacht. Stattdessen empfiehlt er, sich auf konkrete Gesundheitsmarker wie VO₂ max, Muskelmasse oder Insulinsensitivität zu konzentrieren.

Alle Experten stimmen darin überein, dass epigenetische Uhren im Forschungsumfeld ihren Platz haben. Für die individuelle Gesundheitsbeurteilung oder therapeutische Entscheidungen fehlen jedoch noch die nötige Zuverlässigkeit und klinische Validierung. Aktuell liefern sie also interessante Hypothesen, aber keine gesicherten Empfehlungen.

Die Rolle eigenetischer Veränderungen

Besonders viel diskutiert wird derzeit die Rolle epigenetischer Veränderungen im Alterungsprozess. Einige Forscher arbeiten an Reprogrammierungstechniken, mit denen altersbedingte Zellveränderungen teilweise rückgängig gemacht werden sollen.

Erste Studien an Mäusen zeigen vielversprechende Ergebnisse. Dennoch mahnen Experten zur Vorsicht: Bisher fehlen klare Belege dafür, dass die Umkehr bestimmter epigenetischer Marker tatsächlich zu einer verbesserten Funktion oder Gesundheit führt.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der zellulären Seneszenz. Dabei handelt es sich um Zellen, die sich nicht mehr teilen, aber weiterhin im Körper verbleiben. Richard Miller kritisiert die Definition als unscharf. Der Begriff „seneszente Zelle“ umfasse sehr unterschiedliche Zelltypen, was die Forschung erschwert.

Zwar zeigen präklinische Studien, dass das gezielte Entfernen bestimmter seneszenter Zellen bei Mäusen positive Effekte hat, doch der Übertrag auf den Menschen bleibt unklar.

Kaeberlein und Austad betonen, dass der Hype um sogenannte Senolytika überzogen ist. Die bisherigen Daten zeigen zwar biologische Zusammenhänge, aber keine belastbaren Kausalitäten.

Auch hier gilt: Viele dieser Ergebnisse stammen aus Tiermodellen. Sie zeigen mögliche Mechanismen, sind jedoch nur bedingt auf den Menschen übertragbar. Für den klinischen Einsatz fehlen derzeit noch eindeutige Belege.

Bleibe skeptisch auf deiner Longevity-Reise

Die moderne Longevityforschung ist faszinierend, aber auch voller Unsicherheiten. Es gibt noch keine eindeutige Definition des Alterns und viele der diskutierten Mechanismen stammen aus präklinischen Studien. Diese liefern interessante Hinweise, sind aber nur begrenzt auf den Menschen übertragbar. Sie zeigen mögliche Zusammenhänge, aber keine gesicherten Ursachen.

Wir wissen heute viel weniger, als oft behauptet wird. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse sind rar. Viele Themen tauchen regelmäßig in bestimmten Medien auf, aber das macht sie nicht automatisch belastbar. Zu erkennen, was wirklich belegt ist und was nicht, ist entscheidend, aber anspruchsvoll. Diese Unterscheidung erfordert Fachwissen, kritisches Denken und Zeit. Es macht weniger Spaß als reißerische Artikel zu schreiben oder zu lesen.

Wer sich ernsthaft für Longevity interessiert, sollte sich nicht von schnellen Versprechungen oder fragwürdigen Altersuhren leiten lassen. Besser ist es, sich auf das zu verlassen, was heute gut belegt und beeinflussbar ist. Dazu gehören zum Beispiel körperliche Fitness, Muskelkraft und Stoffwechselgesundheit.

Diese Marker zeigen echte Fortschritte an und helfen dir, fundierte Entscheidungen zu treffen. Skepsis ist kein Pessimismus, sondern ein wichtiges Werkzeug in einem Forschungsfeld, das noch viel mehr Fragen als Antworten kennt.

In diesen Texten erfährst du viel mehr relevante Dinge für deine Longevity-Reise, als es das Ergebnis einer wissenschaftlich nicht validierten epigenetischen Uhr jemals könnte.

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